Rückblick Braunschweiger Brandschutz-Tage 2023

Die traditionsreichen Braunschweiger Brandschutz-Tage fanden am 06. und 07. September 2023 bereits zum 37. Mal statt. Zur diesjährigen Veranstaltung begrüßte der Tagungsleiter Prof. Zehfuß, Leiter des Fachgebietes Brandschutz des Instituts für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (iBMB) der TU Braunschweig, knapp 600 Teilnehmende und fast 30 Fachausstellende zum zweiten Mal im MEC Event Center in Braunschweig. Ein fachlicher Austausch zu aktuellen Themen war das wesentliche Ziel der Fachtagung. Dieser fand in der lebendig geführten Diskussion im Nachgang der Vorträge sowie bei aufgelockerter Atmosphäre während des traditionellen Abendempfanges statt. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Dialog mit den Teilnehmenden und Ausstellenden die Brandschutz-Tage in Ihrer Weiterentwicklung prägt. Traditionell wurde am Vortag der Braunschweiger Brandschutz-Tage as Symposium „Heißbemessung – Structural Fire Engineering“, bereits in 9. Auflage, durchgeführt. Zu Beiträgen aus den Themengebieten der Modellierung und Simulation der thermischen Einwirkungen und experimentellen und numerischen Untersuchungen zum Erwärmungs- und Tragverhaltens von Bauteilen sowie neusten Erkenntnissen aus Forschungsarbeiten zum Brandschutz im Holz-, Stahl-, Verbund-, Mauerwerks- und Betonbau ergaben sich für die fast 130 Teilnehmenden aus Wissenschaft und Praxis viele Gelegenheiten für intensive Diskussionen.

Die Fachtagung wurde von Herrn Truthän, Geschäftsführender Gesellschafter von hhpberlin, mit einer Keynote-Präsentation zum Thema „Die Zukunft des vorbeugenden Brandschutzes-Welche Rolle spielen die Daten in der Welt der nachhaltigen Sicherheit?“ eröffnet. In der emotional vorgetragenden Präsentation wurde thematisiert wie Brandschutzakteure die Herausforderungen der Megatrends wie Wandelbarkeit, Urbanisierung und demografischer Wandel mithilfe von BIM und KI meistern können. Die Rolle und Funktion von BIM in der Brandschutz- als Teil der Bauwerksplanung war Thema der späteren Diskussion.

Das Themenfeld „Löschanlagen“, welches bisher in dem mit dem Bundesverband Technischer Brandschutz e. V. (bvfa) gemeinsam ausgerichtete Workshop Feuerlöschanlagen präsentiert wurde, wurde dieses Jahr in die erste Sitzung „Anlagentechnischer Brandschutz“ der Fachtagung integriert. Geleitet von Herrn Spangardt (bvfa) beschäftigte sich der erste Vortrag der Sitzung mit der Zuverlässigkeit von Brandmeldern. Auf Grundlage von Studien wurden die Risikominimierung durch kontrollierten Austausch gemäß derzeitiger Standards und die Auswirkungen einer Nutzungsverlängerung thematisiert. „Unterschiede zwischen den Forderungen aus Brandschutz- und Löschanlagenkonzepten am Beispiel des Industriebaus“ war das Thema des zweiten Vortrags. Im Fokus stand die Notwendigkeit der objektspezifischen Auswahl und Planung der Löschanlage in Lagerbereichen mit brennbaren Flüssigkeiten. Des Weiteren wurde von Erfahrungen aus Großprojekten mit Sprinkleranlagen und bzgl. Fragen und Problemstellungen, die in Bezug auf eine solche Anlagen häufig vorkommen und besonderer Klärung bedürfen, berichtet. Das Fazit war, dass eine frühzeitige Abstimmung zwischen Brandschutzkonzeptersteller, Löschanlagenplaner bzw. Löschanlagenkonzepthersteller sowie des Kunden mit dem Versicherer sinnvoll ist. Ein ähnliches Fazit wurde im letzten Vortrag, aber in Bezug auf Rauch- und Wärmeabzugsanlagen im Industriebau, gezogen. Eine das Brandschutzkonzept ergänzende Brandschutzkonzeption, die sich aus den Anforderungen des Kunden und Sachversicherers ergibt, sowie die Dokumentation und Abstimmung der Grundzüge des sicherheitstechnischen Steuerungskonzepts waren weitere zentrale Themen. Diskussionsbedarf bestand bei der Nennung des Regelwerks im Brandschutzkonzepts, nach der die Löschanlage ausgelegt wird, in Zusammenhang mit der Problematik eines Miet- oder Betreiberwechsels. Ein weiterer Diskussionspunkt war die Sinnhaftigkeit eines Löschanlagenkonzepts als Teil der Bauvorlage vor dem Hintergrund späterer Anpassungen und der sich daraus ergebenden Genehmigungsproblematik.

Die zweite Sitzung widmete sich traditionell den Normen, Richtlinien und Verordnungen und wurde von Frau Bombach, Referatsleiterin im DIBt, moderiert. Im ersten Vortrag wurde ein Katalog von Mindestszenarien vorgestellt, der für den Entwurf der DIN 18009-3 „Bemessungsbrandszenarien und Bemessungsbrände“ erarbeitet wurde und eine systematische und standardisierte Auswahl der Szenarien für die ausgewählten Schutzziele ermöglicht. Im zweiten Vortrag der Sitzung wurde eine Systematik für ein Sicherheitskonzept für die Personensicherheit vorgestellt und anhand des Beispiels einer Versammlungsstätte demonstriert. Bisher wird der leistungsorientierte Nachweis der Personensicherheit mit Ingenieurmethoden nicht einheitlich angewendet und geprüft. Darüber hinaus war der Nachweis des Feuerwiderstands von Stahlmodulbauten, bei dem es hinsichtlich des Raumabschlusses keine technischen Regeln gibt, Thema der zweiten Sitzung. Präsentiert wurden Ergebnisse von Großbrandversuchen, die ein erster Schritt sind, dort eine technische Regel zu entwickeln. Im Anschluss wurde die Neufassung der DIN 18234 „Baulicher Brandschutz großflächiger Dächer – Brandbeanspruchung von unten“ vorgestellt. Eingegangen wurde dabei auf die Entstehungsgeschichte, die baurechtliche Einordnung, die Struktur sowie die wesentlichen Neuerungen. Zuletzt wurden aktuelle Regelungen für den Holzbau nach Holzbaurichtlinie in Baden-Württemberg vorgestellt und ein Ausblick auf die Regelungen in der zukünftigen Musterholzbaurichtlinie gegeben. Dieses Thema fand sich auch in der anschließenden Diskussion wieder, zum einen in Bezug auf eine gewünschte zusätzliche bebilderte Dokumentierung von Anschlüssen sowie Erläuterungen und auf die abP, die seit der Fassung 2019/1 nicht mehr für den Holzbau möglich sind. Ebenfalls zum Thema Holzbau gab es Fragen und Anmerkungen zum Schallschutz und zu Durchführungen von wirksamen Löscharbeiten bei Außenwandbekleidungen.

Der erste Tagungstag wurde – nunmehr zum siebenten Mal – mit der Verleihung des Dietmar Hosser-Preises für herausragende Studierendenarbeiten beendet. Frau Zauper konnte mit ihrer an der Dresden International University angefertigten Arbeit „Begrünungen von Außenwandbekleidungen aus Holz – Untersuchungen der Auswirkungen im Brandfall“ die Jury überzeugen und erhielt den ersten Preis. Mit einem interessanten Vortrag präsentierte sie ihre Arbeit dem anwesenden Fachpublikum. Mit ihrer Arbeit „Möglichkeiten und Grenzen bei der Verwendung von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen in der Gebäudeklasse 4 nach Musterbauordnung in Holzbauweise“ belegte Frau Scherner (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg/Hochschule Magdeburg-Stendal) den zweiten Platz. Über den dritten Preis konnte sich Herr Münch (TU Kaiserslautern) mit seiner Arbeit zur „Bewertungsverfahren zur Festlegung der Größe von Nutzungseinheiten“ freuen.

Herr Foth (Geschäftsführer hhpberlin Ingenieure für Brandschutz) leitete am zweiten Tagungstag die dritte Fachsitzung zum Thema „Innovative Brandschutznachweise“. Eingeleitet wurde die Sitzung mit besonderen Schutzzielen für spezielle Gebäude bzw. Nutzungen und der Erreichung dieser durch Anwendung von Ingenieurmethoden des Brandschutzes. Dazu wurden zwei Praxisbeispiele näher beleuchtet. Der zweite Vortrag beschäftige mit den Herausforderungen im Planungsprozess von Aufstockungen und Nachverdichtungen vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums und der fortscheitenden Urbanisierung. Anschließend wurde aus Sicht eines Brandschutzplaners die Erwirkung von Verwend- und Anwendbarkeitsnachweisen für Holzraummodule thematisiert. Betont wurde die Notwendigkeit des Prozessverständnisses des Kunden, welches durch die Beratungstätigkeit abzusichern ist. Der nächste Vortrag zeigte anhand des Bildungshauses in Norderstedt auf, wie die Herausforderungen des vorbeugenden Brandschutzes, dazu zählten eine Holzfassade und ein Atrium, mit den brandschutztechnischen Anforderungen in Einklang gebracht wurden. Aufgrund des Verzichts von vertikalen und horizontalen Brandsperren waren Brandversuche notwendig, auf deren Aufbau, Durchführung und Auswertung eingegangen wurde. Im sich anschließenden Vortrag standen die Einsatzerfahrungen der Feuerwehr im Umgang mit Hochvolt-Fahrzeugen im Mittelpunkt. Die Darstellung der besonderen Gefahren und der Einsatztaktik wurde durch ein umfangreiches Bild- und Videomaterial unterstützt. Diskussionsbedarf bestand beim Thema Aufstockungen in Zusammenhang mit dem möglichen Wechsel in eine höhere Gebäudeklasse und der damit einhergehenden gestiegenen Anforderungen an den baulichen Brandschutz, auch in den bereits bestehenden Etagen. Ebenfalls zum Thema Aufstockungen wurden Probleme bei der Ausbildung des 2. Rettungsweges durch Rettungsgerät der Feuerwehr diskutiert. In Zusammenhang mit dem Bildungshaus Norderstedt ergaben sich viele Fragen und Anmerkungen bezüglich der Brandsperren, der Dämmung und den zum Nachweis durchgeführten Brandversuchen.

Die vierte Sitzung mit dem Titel „Digitale Lösungen im Brandschutz“ wurde von Herrn Prof. Zehfuß (TU Braunschweig) geleitet. Der erste Vortag widmete sich dem Thema „Digitale Haustafeln in Treppenräumen“. Skizziert wurde der Weg von der Einzelfallentscheidung bis zum bundesweiten Standard VdS 6024. Im anschließenden Vortrag wurde auf die Digitalisierung mit BIM im Brandschutzingenieurwesen eingegangen. Der Fokus lag dabei auf ersten Ideensätze für ein strukturiertes und möglichst allgemeines digitales Modell des Brandschutzes. Sich weiter entwickelnde Bauweisen und Materialen führen zu immer neuen Herausforderungen für den abwehrenden Brandschutz. Thema eines weiteren Vortrags in der vierten Sitzung war der Einsatz von Robotik z. B. Löschrobotern und Drohnen zur Aufklärung um die sich daraus ergebende Fähigkeitslücke der Feuerwehr zu schließen. Im abschließenden Vortrag wurde aus der Perspektive der Feuerwehr anhand eines Praxisbeispiels und Einsatzstellenbewertungen die Relevanz und gesammelten Erkenntnisse zur Lagerung und Produktion von Lithium-Ionen-Batterien dargestellt.  In der sich anschließenden Diskussion wurde zum Thema Lithium-Ionen-Batterien diskutiert, inwieweit eine Werkfeuerwehr und die Einbindung der Feuerwehr in Beratungen der Hersteller das Sicherheitsniveau bei der Produktion und Lagerung verbessern könnten.  Des Weiteren gab es Beiträge zur Thematik Haustafeln in Fluren hinsichtlich der baurechtlichen Einordnung dieser und dem Anwendungsbereich der VdS 6024. Ein weiterer Diskussionspunkt war der aktuelle Stand der Anwendung von BIM im Brandschutzingenieurwesen mit dem Ergebnis, dass noch ein weiterer Diskurs, insbesondere im Normenausschuss DIN 18009, notwendig ist. Die zahlreichen Fragen und die lebhaften Diskussionen in den vier Sitzungen bestätigten die Aktualität und die Bedeutung der vorgestellten Themen.

Begleitend zur Tagung konnten sich die Teilnehmenden auf der gut besuchten Fachausstellung über aktuelle Entwicklungen und Neuerungen in den Bereichen des baulichen, anlagentechnischen, abwehrenden und organisatorischen Brandschutzes informieren.

Eine Bereitstellung umfangreicher Informationen für Tagungsteilnehmer und Fachausteller erfolgte wie gewohnt auf dem Informationsportal http://www.brandschutztage.info. Das iBMB blickt auf eine erfolgreiche und diskussionsfreudige Veranstaltung zurück. Die Planungen für die kommenden Brandschutz-Tage am 18. und 19.09.2024 laufen bereits.

Um eine stetige Weiterentwicklung zu ermöglichen und Themenvorschläge einzubringen, können Anregungen über das Feedback-Formular unter http://www.brandschutztage.info/feedback/ übermittelt werden.

 

Jochen Zehfuß und Martin Bogdahn